In erstaunlich guter Verfassung und recht fit standen wir an dem Montagmorgen auf und nahmen ein sehr gutes und reichhaltiges Frühstück auf der Terrasse zu uns. Fast zum Greifen nahe hatten wir einen phantastischen Ausblick auf die von der Morgensonne angestrahlten Lienzer-Dolomiten. Nach dem Frühstück breiteten wir das Kartenmaterial auf dem Tisch aus und schnell hatten wir die Strecke für den Tag abgesteckt. Ab in die Motorradklamotten und los ging´s!
Wir folgten der Pustertaler-Höhenstraße weiter Richtung Westen und fuhren bei Abfaltersbach wieder auf die B100 / E66. Schon bald kamen wir zur italienischen Grenze und aus der B100 wurde die SS49. In Toblach ging´s dann links ab auf der SS51 durch das Höhlensteintal Richtung Dolomiten. Ohne Gepäck machte das Touren noch mal so viel Spaß! An den drei Zinnen vorbei über die SS48, SP49 entlang des Lago di Misurina und auf der SR48 erreichten wir über den Passo Tre Croci (1.809m) schon bald Cortina d´Ampezzo.
Dieser mondäne Wintersportort hat auch im Sommer einiges zu bieten - so mussten wir hier natürlich eine Pause einlegen und den Flair des Ortes bei einem leckeren Eis in einem Straßencafe aufsaugen. Aber wir wollten ja noch ein paar Pässe fahren und so sattelten wir wieder die Motorräder.
Über die SS48 erreichten wir schon bald den Pso. di Falzarego (2.105m). Weiter ging es bis nach Cernadoi. Dort bogen wir rechts ab nach Arabba und schon wartete mit dem Pso. Pordoi (2.239m) der nächste Pass auf uns. Gleich darauf ging es weiter auf der SS242 zum Sellajoch (2.244m). Nach den ersten Haarnadelkurven waren wir etwas flotter unterwegs. Schließlich wurden die Haarnadelkurven ja frühzeitig durch Schilder angekündigt. Und dann passierte es: Ich dachte noch, so langsam müsste jetzt eigentlich wieder die nächste Haarnadelkurve kommen, da war sie auch schon da! Keine Schilder und viel zu schnell! Die Straße ging irgendwie scharf rechts weiter und vor mir nur noch der Kurvenradius und dahinter einfach nur blauer Himmel und Abgrund! Tausend Gedanken schossen mir innerhalb von Sekundenbruchteilen durch den Kopf: Die Kurve ist auf keinen Fall mehr zu schaffen, das war´s dann wohl! Eine winzig kleine Chance, Alex´s und mein Leben zu retten, besteht vielleicht noch darin, das Mopped auf die Seite zu legen, abzusteigen und zu hoffen, dass wir nicht zu weit rutschen und uns irgendwo am Abgrund noch festhalten können. Meine VX hatte ich auf alle Fälle schon abgeschrieben. Schon wollte ich das entsprechende Fahrmanöver ausführen, als ich sah, dass hinter dem Teerband im Kurvenradius etwas tiefer ein kleiner geschotterter Parkplatz und rechts davon abfallend ein geschotterter Weg war. Mopped gerade gestellt, kurz und kräftig gebremst, Kupplung gezogen und ab in diesen Weg. Nach ca. 20 m kam die VX dann zum Stehen. Im ersten Moment blieb ich regungslos auf der Maschine sitzen, atmete tief durch, drehte mich zu Alex um und meinte: „Mann, war das knapp! Ich hatte schon mit allem abgeschlossen! Da waren wohl alle Schutzengel gerade hier zu einem Betriebsausflug versammelt!" Alex meinte daraufhin ganz cool: „Wieso? Ich habe Dir vertraut, Du hast das doch im Griff gehabt!" Naja, im Griff hatte ich da für mein Verständnis nichts – das war einfach nur Glück! Glück dass der Weg dort war und Glück, dass kein Gegenverkehr unterwegs war.
Mittlerweile kamen Hubi, Martin und David an. Gott sei Dank hatten sie etwas Abstand zu mir und konnten noch frühzeitig bremsen.
Nach dieser Aktion ließen wir es dann doch etwas langsamer angehen. Vom Sellajoch ging es wieder abwärts und nach einigen Kilometern bogen wir rechts ab auf die SS243 um das Grödner Joch (2.121m) in Angriff zu nehmen. Bei Corvara In Badia bogen wir ab Richtung Norden und folgten der SS244 Richtung Brunico (Bruneck). In Longega (Zwischenwasser) setzten wir den Blinker rechts und folgten der Furkelpass Landstrasse über den gleichnamigen Furkelpass (1.759m). Schon bald erreichten wir Valdaora (Olang) und weiter ging es Richtung Antholz zum Staller Sattel (2.052m).
Die Straße zum Sattel ist so schmal, dass der Verkehr per Ampel geregelt ist. Von der halben bis zur dreiviertel Stunde kann man rauffahren, dann ist noch eine viertelstunde Karenzzeit eingebaut und von der vollen bis zur viertel Stunde geht’s dann bergab. Natürlich mussten wir etwa eine halbe Stunde warten, bis wir die Strecke unter die Räder nehmen konnten. Dafür standen wir aber auch in der ersten Reihe und hatten freie Fahrt. Oben am Sattel kamen wir dann an der Weltmeisterschafts-Biathlon-Strecke vorbei und passierten die Grenze zu Österreich ohne Probleme. Durchs Defereggental fuhren wir auf der L25 nach Huben. Dort bogen wir rechts ab auf die B108 Richtung Lienz und hatten kurz danach beim Gasthaus Gurter unsere Dolomiten-Rundreise beendet.
Irgendwo unterwegs, ich weiß nicht mehr genau wo, war ein Teil meines linken Fußrastenhalters abgebrochen und die Fußraste lag auf dem Auspuff auf. Nicht weiter schlimm – aber doch etwas störend. Klaus, der Gurter-Wirt war vor dem Haus mit Holzarbeiten beschäftigt. Ich fragte ihn, ob er wohl etwas Draht hätte, um den Fußrasten-Halter provisorisch zu befestigen. Er meinte nur: „Fahre mal da vor die Scheune!" und machte das Tor auf. Dann zauberte er irgendwo aus dem ganzen Durcheinander ein Schweißgerät her. Ein paar Schweißpunkte auf den Halter und schon war das Problem behoben. Der Halter hat danach übrigens einige Jahre gehalten!
Hubi und Martin hatten noch nicht genug von den Bergen und mussten noch einen Gipfel zu Fuß erklimmen. Währenddessen machten Alex, David und ich es uns bei einer Flasche Rotwein und Kartenspiel gemütlich. Als Hubi und Martin zurückkamen meinten sie freudestrahlend, sie wären auf dem bösen Weiberle gewesen. „Ihr alle beide???!!!" „Natürlich, wir waren zusammen drauf!" Dann klärten sie uns auf, dass das böse Weiberle der Berggipfel war, den sie erklommen hatten. Dort hatten sie ein Schild mit der Bezeichnung des Berges gefunden welches später in der Hütte in Haiming über Tinas Bett seine Verwendung fand.