2001 - Alpen / Dolomiten / Haiming
Im Vordergrund dieser Tour stand eigentlich Raften, Canyoning und Klettern in Österreich. Wie ich dazu kam? Ganz einfach: Im Bootsführerlehrgang 2001 der DLRG – übrigens der coolste in meiner ganzen Ausbilderzeit – war u. a. Alex(andra). Und an irgendeinem Tag sagte sie dann: „Im Sommer fahren wir wieder nach Haiming – da musst du unbedingt mitfahren!" „Wo ist Haiming? Was ist Haiming?" fragte ich und erfuhr sogleich, dass Haiming nicht nur die Bezeichnung eines Ortes am österreichischen Inn ist, sondern als Synonym für Raften, Canyoning, Klettern und Fun gilt, wobei all diejenigen, die schon mal dort waren allein bei der Erwähnung des Wortes „Haiming" in Euphorie ausbrechen und einen seltsamen Glanz in die Augen bekommen. Der weitere Dialog zwischen Alex und mir war in etwa folgendermaßen:
Ich: „Mmhh, und was machen wir da?"
Alex: „Raften!!!"
Ich: „o. k. – kenne ich, damit kann ich was anfangen, Boote und Wasser sind eh mein Metier! – was machen wir noch?"
Alex: „Canyoning!!!"
Ich: „Hab´ ich schon mal gehört. Wie geht das genau ab?"
Alex: „Na ja, da geht es durch eine Klamm, mit schwimmen, klettern, rutschen, abseilen und mit 12m-Sprüngen."
Ich: „o. k. – wenn ich mitfahre, werde ich auf alle Fälle mit dem Motorrad dorthin fahren. Und wenn ihr dann zum Canyoning geht, werde ich Mopped fahren! – Und was machen wir sonst noch?"
Alex: „Klettern!!!"
Ich: „Mmmhhh, und wie muss ich mir das vorstellen?"
Alex: „Na ja, im Ötztal sind 2 Klettersteige. Da klettert man gesichert hoch, der eine Steig geht so ca. 70m und der andere Steig so ca. 200m die Wand hoch!"
Ich: „o. k. – also fahre ich an 2 Tagen Mopped!"
In Haiming kam es natürlich ganz anders und das „Klettersteig gehen" gefiel mir sogar noch besser als Raften!
Die Idee, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden und mit dem Motorrad in die Alpen zu fahren, gefiel nicht nur mir sondern auch Alex(andra), Martin P, Hubi und David. Also beschlossen wir, bevor wir uns mit dem Rest der Truppe in Haiming am Inn treffen sollten, noch ein paar Tage mit den Motorrädern durch die Alpen zu touren.
Letztendlich sah der Plan folgendermaßen aus. Samstags starten Hubi aus Ließem (Eifel) mit seiner Yamaha XJ 650, Martin P. aus Koblenz mit seiner 600er Kawasaki Ninja, David als Sozius und ich mit meiner Suzuki VX 800 Richtung München. Sonntags nehmen wir Alex als Sozia in Pullach in der Jugendherberge ab, fahren dann 3 Tage durch die Alpen und Dolomiten, treffen dienstags in Haiming ein und Donnerstags stößt dann der Rest der Truppe in Haiming zum Raften, Klettern und Canyoning dazu.
Wie bei einigen weiteren meiner Touren waren auch diesmal im Vorfeld ein paar Hürden zu nehmen:
Am Ende einer Sonntags-Motorradtour mit Martin P. durch die Eifel meldete sich plötzlich das Getriebe meiner Suzuki VX800 hauptsächlich beim runterschalten in den 3. Gang. Die auf meiner Stirn auftretenden Sorgenfalten sollten berechtigt sein, wie sich bei der Überprüfung des Motors herausstellen sollte: zwei Zahnräder im Getriebe waren defekt. Nach dem Spruch: „Da kann man nichts mehr machen, wenn ich bei der Laufleistung von 50 Tkm den Motor aufmache, bekomme ich den anschließend nicht mehr dicht. Am besten du kaufst einen Austauschmotor oder besser noch gleich ein anderes Motorrad!" entzog ich der Werkstatt meines Vertrauens dasselbige. Schließlich gibt es doch Dichtungen! Durch einen Bekannten kam ich dann zu Oswald den Inhaber der
in Brecht – und das ist jetzt die Werkstatt meines Vertrauens. Kurzum in Stichworten: Zahnräder bestellt, Zahnräder im Container irgendwo auf See unterwegs, Liefertermin ungewiss, Motorrad-Tour gefährdet! „Alles nicht so schlimm" meinte Oswald „dann mach ich Dir halt eine Gebrauchtmaschine von mir für die Tour fertig." Auf dieses Angebot brauchte ich dann doch nicht einzugehen. Donnerstag abends kamen die Zahnräder, freitags wurden sie montiert und samstags startete die Tour – also just in time!
Die nächste Hürde: Hubi hatte erst kurz vor der geplanten Tour die Prüfung für den Motorradführerschein abgelegt und sich eine Yamaha XJ650 gekauft. Allerdings musste er sich noch Motorradklamotten anschaffen, schob dies aber immer wieder auf und meinte er bräuchte nur in den Laden zu gehen und die hätten da alles direkt in seiner Größe verfügbar. Es lief schließlich darauf hinaus, dass er freitags aus der Eifel nach Trier fahren wollte, eben mal schnell zu Polo rein Klamotten kaufen und bei mir zuhause nächtigen um samstags auch pünktlich zum Tourstart da zu sein. Da Moto-Point in Brecht nur einen Katzensprung von Hubi´s Heim entfernt war, holte ich ihn freitags mit meiner reparierten Maschine ab. Irgendwie sind die Zeiger der Uhr dann immer weiter vorgerückt und als wir endlich in Trier vor Polo´s Türen standen, waren dieselbigen bereits geschlossen. Öffnungszeiten samstags erst ab 10.00 h. Na prima, zu der Zeit wollten wir eigentlich schon einige km unter die Räder genommen haben! „Dann schauen wir eben mal bei Tante Louise rein!" – die Fa. Louis ist in Trier genau gegenüber von Polo. Also bei Louis rein, eine Verkäuferin geschnappt und ab in die Umkleidekabine – nee, nicht mit der Verkäuferin, sondern mit den von ihr offerierten Klamotten. Die Umkleidekabinen waren mit Schwingtüren im Westernstil versehen und noch keine Minute nachdem Hubi dahinter verschwunden war, schwangen die Türen mit einem lauten Knall auf, ein Berg von Klamotten flog hindurch in den Laden und Hubi stiefelte in Unterwäsche mit dem Spruch „Dat is doch alles viel zu eng da drin!" und einem breiten Grinsen im Gesicht hinterher. Die weitere Anprobe fand dann zur allgemeinen Erheiterung mitten im Laden statt. Den verdutzten Gesichtsausdruck der Verkäuferin sehe ich noch immer vor mir. Jedoch nutzte der ganze Einsatz nichts – es war nichts passendes für Hubi dabei. Wir fanden uns schon damit ab, am nächsten Tag erst um die Mittagszeit auf Tour zu gehen. Während der Heimfahrt kam mir dann aber ein Gedanke: Alfred, genannt Alla, hat in etwa die Statur von Hubi und kann derzeit eh kein Motorrad fahren, weil seine linke Hand etwas lädiert ist. Seine Klamotten müssten Hubi eigentlich passen. Das Problem bei der Sache: Alla arbeitete in Frankfurt, hatte seine Wohnung im Elternhaus in Schweich, war am Wochenende aber meist bei seiner Freundin Bärbel in Föhren und die zog gerade in eine andere Wohnung. Schon gut dass es Handys gibt! Noch besser wäre, wenn diese dann auch angeschaltet sind. Allas Handy war ausgeschaltet!. Auch in keiner der Wohnungen waren Alla und Bärbel erreichbar. Nach etlichen Telefonaten und dem „Abklappern" der einzelnen Wohnungen haben wir sie dann letztendlich doch noch im „Alten Weinhaus" angetroffen – da hatten wir allerdings schon Samstag. Um 00:30 h stand nach der Anprobe dann fest, dass wir doch pünktlich die Tour starten konnten.
Pünktlich um 8:00 Uhr ging es dann los. Hubi übernahm mit seiner Yamaha einen Großteil des Gepäcks und David wechselte als Sozius zwischen Martins Ninja und meiner VX. Der Anlasser von Hubi´s Yamaha glich in seiner Funktion eher einem Blinker – mal ging er und mal ging er nicht. Folglich brauchte er ab und zu etwas „Anschub"! Das war für die Folge die Aufgabe von David, der seinen neuen Job wirklich hervorragend erledigte. Schon bald ging er derart in seiner Aufgabe auf, dass er schon im voraus ahnte, wenn Hubi´s Maschine ausging und der Anlasser mal wieder streikte.
Durch die Pfalz folgten wir den Landstraßen, doch ansonsten ging es am 1. Tag nur darum, die Strecke nach München zu überbrücken – also stupide Autobahnfahrt. Ab Karlsruhe schickte uns dann auch noch Petrus heftigen Regen vom Himmel, was sich allerdings nicht negativ auf unsere gute Stimmung auswirkte.
Bei Stuttgart zollten wir unseren knurrenden Mägen Tribut, fuhren von der Autobahn ab und kehrten bei einem großen Rasthof in einem Chinesischen Restaurant ein. Äußerst freundlich wurden wir begrüßt und konnten unsere nassen Klamotten im Heizungskeller des Restaurants zum Trocknen aufhängen. Bei sehr leckerem Essen und Unmengen von Jasmin-Tee beratschlagten wir, was wir abends in München anstellen sollten. Der ursprünglich geplante Biergartenbesuch würde auf alle Fälle buchstäblich ins Wasser fallen. Auch die Frage nach einer Unterkunft war noch nicht beantwortet. Doch dazu hatte David eine Idee: „Ich kenne da den Martin W., der studiert in Freising. Den rufe ich jetzt an!" Gesagt, getan. Das Telefongespräch mit Martin W. lief in etwa so ab: „Hallo Martin, David hier. Bist du heute abend zuhause? Wir sind mit 4 Mann jetzt in Stuttgart. In ca. 3 Stunden kommen wir Dich besuchen und schlafen eine Nacht in Deiner Bude! Bis später!"
Also fuhren wir weiter durch strömenden Regen nach Freising. Nach einem Tankstop fanden wir dann auch recht schnell Martin W. im Studentenwohnheim. Obwohl der Besuch einen überfallmäßigen Charakter hatte, bereitete es keine Probleme uns dort unterzubringen. Unser Gepäck nahm fast einen ganzen Flur in Anspruch.
Auch die Motorräder waren in der Tiefgarage gut untergestellt. Als kleinen Dank für sein Entgegenkommen luden wir Martin W. zum Essen ein, tranken anschließend noch einige Bierchen und begaben uns dann zur Ruhe.
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück kam dann die nächste Überraschung. Der Hinterreifen von Martin´s Ninja war ziemlich platt – wir zunächst auch. Es stellte sich dann heraus, dass eine Glasscherbe im Reifen steckte. Ausgerechnet am Sonntag, wenn keine Werkstatt offen ist und wir kaum eine Möglichkeit zur Reparatur oder zum Wechsel des Reifens haben. Für absolute Notfälle unterwegs hatte ich eine Dose Reifenpilot in meinem Gepäck. Trotz einiger Zweifel über die Wirksamkeit steckte in dem Zeug unsere ganze Hoffnung auf eine Fortsetzung der Tour ohne Zwangspause. Genau nach Vorschrift das Zeug rein, 20 km gefahren und an die Tanke zur Überprüfung des Luftdrucks. Lediglich 0,5 bar nachgedrückt und vorerst mit mäßigem Tempo losgefahren und alle 100 km mal überprüft. Womit eigentlich keiner von uns gerechnet hatte: das Zeug hielt die ganze Tour! Bei Martins Rückkehr in Koblenz musste der Reifen ohnehin gewechselt werden, da er so blank wie ein Kinderpopo war.
Der Wettergott meinte es an diesem Sonntag auch noch nicht so richtig gut mit uns – es regnete immer noch, wenn auch nicht mehr so heftig wie am Vortag.
Wir verabschiedeten uns von Martin W. fuhren um München rum und folgten der B11 bis Pullach zur Jugendherberge, wo Alex uns schon erwartete. Ihr Gepäck verstauten wir auf Hubi´s „Lastesel" und los gings. Wir folgten weiterhin der B11 durchs Isartal bogen ab nach Bad Tölz und fuhren auf der B13 entlang der Isar weiter Richtung Süden. Am Sylvensteinsee bogen wir links ab auf die B307 und erreichten schon bald die Österreichische Grenze. Auf der B181 gings weiter Richung Süden, am Achensee vorbei und auf der B169 ins Zillertal. Von Schürzenjägern haben wir dort aber nichts gesehen. In Zell am Ziller richteten wir uns nach Osten und folgten der B165 über Gerlos zu den Krimmler Wasserfällen. Nach einer kurzen Pause und den obligatorischen Bildern von den Wasserfällen nahmen wir wieder die B165 bis Mittersill unter die Räder und fuhren von dort aus weiter Richtung Osten auf der B168 bis nach Bruck an der Grossglocknerstrasse. Auch in Anbetracht der Tatsache, dass die Großglockner Hochalpenstrasse mautpflichtig ist, wollten wir uns natürlich diesen „Leckerbissen" nicht entgehen lassen. Also in Fusch an der Mautstelle unsere Gebühr entrichtet und schon gings bergauf. Das Wetter hatte sich mittlerweile etwas gebessert. Der Himmel war zwar immer noch wolkenverhangen und grau aber es regnete nicht mehr. Eine beeindruckende Landschaft mit reichlich Schnee erwartete uns. Nach kurzen Stopps an der Edelweißspitze und der Franz-Josefs-Höhe konnten wir der Versuchung nach einer Schneeballschlacht und Rodelpartie nicht widerstehen. Wir hatten zwar keine Schlitten dabei, aber wasserdichte Motorradklamotten eignen sich bestens dazu, einen Schneehang runterzurutschen – das haben wir ausgiebig getestet.
Ein Blick auf die Uhr zeigte uns, dass wir uns mittlerweile über eine Stunde im Schnee vergnügt hatten und es leider schon wieder Zeit wurde, weiter Richtung Süden zu fahren. Also weiter über Heiligenblut, der südlichen Mautstation, auf der B107 und später B100 nach Lienz. Eine schöne Stadt mit südländischem Flair erwartete uns und hier wollten wir eine Unterkunft für die Nacht suchen – am besten mit Schwimmbad, Sauna und Solarium zum Relaxen. Leider fand an diesem Wochenende ein größeres Musikfest statt und die freien Zimmer in Hotels und Pensionen waren so gut wie alle belegt. Auch die Touristen-Info mit Zimmervermittlung hatte schon geschlossen. Vor der Touri-Info brannten auf einer großen Übersichtstafel mit Hotels und Pensionen fast ausschließlich die roten Lämpchen. Aber bei genauerem Hinsehen entdeckten wir doch noch ein grünes Lämpchen, was uns sagte, dass bei Fam. Winkler noch was frei wäre. An der Tafel war auch ein Telefon angebracht, mit dem man kostenfrei das jeweilige Hotel oder die entsprechende Pension erreichen konnte. „Dann rufen wir mal die Maria Winkler an! – Alex mach Du das mal, eine Frauenstimme kommt da immer besser!" Gesagt – getan! Es war nur noch ein Zimmer für 3 Personen frei und mit Händen und Füßen gaben wir Alex zu verstehen sie solle die Winkler-Oma davon überzeugen, dass wir Schlafsäcke dabei hätten und wir zu fünft das Zimmer belegen wollten. Alex´s Überzeugungskünste waren schon sehr gut und sie erhielt das o.k. „Die geht wohl davon aus, dass 5 junge christliche Mädchen dort auftauchen. Wenn die uns da ankommen sieht, 4 Kerle und 1 Frau, dann noch auf Motorrädern und alle in einem Zimmer- da wird nichts draus!" äußerte ich meine Zweifel. Bei der Pension angekommen öffnete Herr Winkler die Tür, schaute erst die Motorräder und dann uns der Reihe nach an, sagte kein Wort und schüttelte nur heftig den Kopf – horizontal natürlich!. Auch seine Frau war trotz Aufbietung unserer ganzen Überzeugungskraft nicht zu einer Vermietung des Zimmers für die eine Nacht bereit.
Nachdem nun unsere ganzen Bemühungen, in Lienz ein Zimmer zu finden, gescheitert waren, mussten wir halt weiterfahren. Allerdings lief uns so langsam die Zeit davon. Von Lienz aus wollten wir der Pustertaler-Höhenstrasse folgen – und das taten wir nun auch. Auf der B100 ein kurzes Stück an der Gries vorbei bis Leisach-Gries und schon ging es rechts ab auf die Pustertaler-Höhenstraße. So langsam wurde es dunkel und es war keine Ortschaft, geschweige denn eine Übernachtungsmöglichkeit in Sicht. „Wenn ich jetzt nichts finde, verfluchen die anderen mir die Knochen!" schoss es mir durch den Kopf. Nach einigen km, genauer gesagt in Bannberg, klopfte Alex mir plötzlich auf die Schulter und wies auf ein Schild. Gasthaus Gurter stand dort drauf und auch ein Bett war auf dem Schild zu sehen. Also Blinker links gesetzt, einen kleinen Hang hinunter und wenige Meter weiter standen wir vor einer großen Giebelwand mit einer relativ kleinen Türe.
„Wo ist denn hier der Eingang? – Wir gehen mal schauen!" sprachs und schon waren Alex und David im Gebäude verschwunden. Es dauerte nicht lange und Alex kam freudestrahlend herausgehüpft: „Das ist cool, das ist urig, da drinnen rockt die Dorfjugend auf ACDC – hier bleiben wir!" Neben einer großen Diele, in der auch die „Bar" untergebracht war, ging´s in den eigentlichen Wirtsraum. Ein paar Tische, Bänke und Stühle und mittendrin ein holzbefeuerter Herd. Die „Gurter-Oma" kam auf einer Krücke gestützt freundlich lächelnd auf uns zu und hatte sofort unser dringenstes Bedürfnis erkannt: „Moagst a Bier?!". Da wir ja nicht mehr zu fahren brauchten, ließen wir uns das Bier nebst einem leckeren Marillen-Schnaps schmecken. Nachdem wir den ersten Durst gestillt hatten, bezogen wir die ebenfalls urigen Zimmer und kehrten in leichter Bierkleidung in den Wirtsraum zurück. Nach dem abwechslungsreichen und doch recht langen Tag verspürten wir ein leichtes Hungergefühl und wir fragten in Angesicht der fortgeschrittenen Stunde – immerhin ca. 22:30 Uhr – mal vorsichtig bei der Gurter-Oma an, ob wir noch etwas zu essen bekommen könnten. „Eine Brotzeit vielleicht?" „Naa, i moach woas richtiges!!!" kam prompt als Antwort und schon stand ein Topf mit Klößen auf dem Herd. Dann kam ihr Sohn Klaus hereingeschneit und meinte, davon würden wir nicht satt. Flugs zauberte er ein paar Rippchen in die Pfanne. Da Alex sich damals fleischlos ernähren musste, ging Klaus mit einer Taschenlampe ausgestattet in den Garten frischen Salat stechen und schon bald konnten wir ein vorzügliches Abendmahl zu uns nehmen.
So ziemlich zeitgleich wuchs ein Entschluss in jedem der 5 Köpfe, der da hieß: „Hier bleiben wir für 2 Übernachtungen, machen Morgen eine Dolomitenrundfahrt und fahren dann übermorgen von hier aus über den Brenner und Innsbruck nach Haiming!"
Nach dem Essen lockerten wir dann unsere Handgelenke etwas und warfen mit Pfeilen auf eine Scheibe – ich glaube die Profis nennen das „Dart-Spiel". Um da einen kleinen Ansporn zu schaffen meinte Klaus – der Wirt – wir könnten ja um eine Flasche Marillenschnaps spielen. David war sofort Feuer und Flamme dafür und obwohl mir klar war, dass wir nur schwerlich gegen einen Wirt in seiner eigenen Kneipe eine Siegchance hatten, stürzten wir uns ins Gefecht. Trotz unserem vollsten Einsatz stand es schon bald 1:0 für Österreich! Diese Schmach wollte David natürlich nicht auf sich sitzenlassen und einige Zeit später stand es dann 2:0 für Österreich. Mittlerweile waren die Zeiger der Uhr doch schon weit fortgeschritten und auch der Konsum des Biers mit dem unvermeidlichen Marillen-Schnaps forderte seinen Tribut. Klaus hielt anscheinend sehr viel von Integration und Arbeitsteilung was sich dann derart auswirkte, dass wir abwechselnd hinter die Theke gehen mussten um die Getränke-Runden fertig zu machen. Allerdings war dieser Arbeitseinsatz für uns von Vorteil. Da wir den nächsten Tag ja nicht mit einem Kater im Bett verbringen, sondern Mopped fahren wollten, hatten wir so die Gelegenheit Klaus mit dem gewünschten Marillenschnaps zu versorgen und uns hundsgewöhnliches Wasser in die Gläschen zu gießen. Dialoge wie der folgende machten die Runde: „Klaus, der Marillenschnaps ist alle!" – „Dann hol neuen!!!" – „Woher???" – „Na, aus dem Keller natürlich!" ….."Der Keller ist abgeschlossen, Klaus!" – „Na, dann sperr ihn doch auf! Der Schlüssel hängt in der Küche!"
Da wir ja am nächsten Tag zu unserer Dolomiten-Rundfahrt starten wollten, zogen wir schließlich doch zu später oder besser gesagt früher Stunde die Reißleine und begaben uns in die Horizontale.
In erstaunlich guter Verfassung und recht fit standen wir an dem Montagmorgen auf und nahmen ein sehr gutes und reichhaltiges Frühstück auf der Terrasse zu uns. Fast zum Greifen nahe hatten wir einen phantastischen Ausblick auf die von der Morgensonne angestrahlten Lienzer-Dolomiten. Nach dem Frühstück breiteten wir das Kartenmaterial auf dem Tisch aus und schnell hatten wir die Strecke für den Tag abgesteckt. Ab in die Motorradklamotten und los ging´s!
Wir folgten der Pustertaler-Höhenstraße weiter Richtung Westen und fuhren bei Abfaltersbach wieder auf die B100 / E66. Schon bald kamen wir zur italienischen Grenze und aus der B100 wurde die SS49. In Toblach ging´s dann links ab auf der SS51 durch das Höhlensteintal Richtung Dolomiten. Ohne Gepäck machte das Touren noch mal so viel Spaß! An den drei Zinnen vorbei über die SS48, SP49 entlang des Lago di Misurina und auf der SR48 erreichten wir über den Passo Tre Croci (1.809m) schon bald Cortina d´Ampezzo.
Dieser mondäne Wintersportort hat auch im Sommer einiges zu bieten - so mussten wir hier natürlich eine Pause einlegen und den Flair des Ortes bei einem leckeren Eis in einem Straßencafe aufsaugen. Aber wir wollten ja noch ein paar Pässe fahren und so sattelten wir wieder die Motorräder.
Über die SS48 erreichten wir schon bald den Pso. di Falzarego (2.105m). Weiter ging es bis nach Cernadoi. Dort bogen wir rechts ab nach Arabba und schon wartete mit dem Pso. Pordoi (2.239m) der nächste Pass auf uns. Gleich darauf ging es weiter auf der SS242 zum Sellajoch (2.244m). Nach den ersten Haarnadelkurven waren wir etwas flotter unterwegs. Schließlich wurden die Haarnadelkurven ja frühzeitig durch Schilder angekündigt. Und dann passierte es: Ich dachte noch, so langsam müsste jetzt eigentlich wieder die nächste Haarnadelkurve kommen, da war sie auch schon da! Keine Schilder und viel zu schnell! Die Straße ging irgendwie scharf rechts weiter und vor mir nur noch der Kurvenradius und dahinter einfach nur blauer Himmel und Abgrund! Tausend Gedanken schossen mir innerhalb von Sekundenbruchteilen durch den Kopf: Die Kurve ist auf keinen Fall mehr zu schaffen, das war´s dann wohl! Eine winzig kleine Chance, Alex´s und mein Leben zu retten, besteht vielleicht noch darin, das Mopped auf die Seite zu legen, abzusteigen und zu hoffen, dass wir nicht zu weit rutschen und uns irgendwo am Abgrund noch festhalten können. Meine VX hatte ich auf alle Fälle schon abgeschrieben. Schon wollte ich das entsprechende Fahrmanöver ausführen, als ich sah, dass hinter dem Teerband im Kurvenradius etwas tiefer ein kleiner geschotterter Parkplatz und rechts davon abfallend ein geschotterter Weg war. Mopped gerade gestellt, kurz und kräftig gebremst, Kupplung gezogen und ab in diesen Weg. Nach ca. 20 m kam die VX dann zum Stehen. Im ersten Moment blieb ich regungslos auf der Maschine sitzen, atmete tief durch, drehte mich zu Alex um und meinte: „Mann, war das knapp! Ich hatte schon mit allem abgeschlossen! Da waren wohl alle Schutzengel gerade hier zu einem Betriebsausflug versammelt!" Alex meinte daraufhin ganz cool: „Wieso? Ich habe Dir vertraut, Du hast das doch im Griff gehabt!" Naja, im Griff hatte ich da für mein Verständnis nichts – das war einfach nur Glück! Glück dass der Weg dort war und Glück, dass kein Gegenverkehr unterwegs war.
Mittlerweile kamen Hubi, Martin und David an. Gott sei Dank hatten sie etwas Abstand zu mir und konnten noch frühzeitig bremsen.
Nach dieser Aktion ließen wir es dann doch etwas langsamer angehen. Vom Sellajoch ging es wieder abwärts und nach einigen Kilometern bogen wir rechts ab auf die SS243 um das Grödner Joch (2.121m) in Angriff zu nehmen. Bei Corvara In Badia bogen wir ab Richtung Norden und folgten der SS244 Richtung Brunico (Bruneck). In Longega (Zwischenwasser) setzten wir den Blinker rechts und folgten der Furkelpass Landstrasse über den gleichnamigen Furkelpass (1.759m). Schon bald erreichten wir Valdaora (Olang) und weiter ging es Richtung Antholz zum Staller Sattel (2.052m).
Die Straße zum Sattel ist so schmal, dass der Verkehr per Ampel geregelt ist. Von der halben bis zur dreiviertel Stunde kann man rauffahren, dann ist noch eine viertelstunde Karenzzeit eingebaut und von der vollen bis zur viertel Stunde geht’s dann bergab. Natürlich mussten wir etwa eine halbe Stunde warten, bis wir die Strecke unter die Räder nehmen konnten. Dafür standen wir aber auch in der ersten Reihe und hatten freie Fahrt. Oben am Sattel kamen wir dann an der Weltmeisterschafts-Biathlon-Strecke vorbei und passierten die Grenze zu Österreich ohne Probleme. Durchs Defereggental fuhren wir auf der L25 nach Huben. Dort bogen wir rechts ab auf die B108 Richtung Lienz und hatten kurz danach beim Gasthaus Gurter unsere Dolomiten-Rundreise beendet.
Irgendwo unterwegs, ich weiß nicht mehr genau wo, war ein Teil meines linken Fußrastenhalters abgebrochen und die Fußraste lag auf dem Auspuff auf. Nicht weiter schlimm – aber doch etwas störend. Klaus, der Gurter-Wirt war vor dem Haus mit Holzarbeiten beschäftigt. Ich fragte ihn, ob er wohl etwas Draht hätte, um den Fußrasten-Halter provisorisch zu befestigen. Er meinte nur: „Fahre mal da vor die Scheune!" und machte das Tor auf. Dann zauberte er irgendwo aus dem ganzen Durcheinander ein Schweißgerät her. Ein paar Schweißpunkte auf den Halter und schon war das Problem behoben. Der Halter hat danach übrigens einige Jahre gehalten!
Hubi und Martin hatten noch nicht genug von den Bergen und mussten noch einen Gipfel zu Fuß erklimmen. Währenddessen machten Alex, David und ich es uns bei einer Flasche Rotwein und Kartenspiel gemütlich. Als Hubi und Martin zurückkamen meinten sie freudestrahlend, sie wären auf dem bösen Weiberle gewesen. „Ihr alle beide???!!!" „Natürlich, wir waren zusammen drauf!" Dann klärten sie uns auf, dass das böse Weiberle der Berggipfel war, den sie erklommen hatten. Dort hatten sie ein Schild mit der Bezeichnung des Berges gefunden welches später in der Hütte in Haiming über Tinas Bett seine Verwendung fand.
Dienstagmorgens verabschiedeten wir uns von Gurters und machten uns auf den Weg nach Haiming. Über Sillian und Toblach nahmen wir die gleiche Route wie am Vortag. Weiter ging es auf der SS49 / E66 über Bruneck bis nach Naz-Chabs. Von dort aus folgten wir der Brennerstrasse SS12 in nördlicher Richtung. Immer entlang der Autobahn führte uns die Strecke über Sterzing die alte Brennerpass-Straße hinauf. Auf der österreichischen Seite fuhren wir immer noch parallel der Autobahn auf der B182 nach Innsbruck. Hier angekommen, haben wir die Motorräder geparkt und machten uns zu Fuß zu einer Stadtbesichtigung auf. Dabei durfte das Wahrzeichen von Innsbruck, das goldene Dachl natürlich nicht fehlen. Unser nun doch langsam aufkommendes Hungergefühl stillten wir im Krahvogel– einem stilvollem Cafe-Kneipe-Restaurant mit einer sehr schmackhaften Küche und einem phantastischen Milchkaffee. Schon auf der ganzen Tour gelüstete es David nach der bayrischen Spezialität Weißwürschtl – aber nirgends waren die zu bekommen. Auch im Krahvogel startete er wieder einen Versuch, diese nicht gerade urtypische österreichische Speise serviert zu bekommen. Auf dem Gesicht der netten Bedienung zeichnete sich ein Fragezeichen ab: „Da muss ich erst mal nachschauen, ob wir das auf der Karte haben. Das hat hier noch nie jemand bestellt!" Die Weißwürschtl waren auf der Karte, die Bedienung verwundert und David zufrieden!
Gut gestärkt brachen wir zur letzten Etappe nach Haiming auf. Auf der B171 rollten wir durchs Inntal Richtung Imst. Über Zirl und Telfs hatten wir dann schon bald unser Ziel Haiming erreicht. Die Rafting-Alm von Hannes befindet sich in Haiming auf der anderen Innseite. Noch vor der Brücke war Alex in freudiger Erwartung kaum mehr zu halten. Sie zappelte auf dem Soziussitz derart hin und her, dass ich Mühe hatte, die VX einigermaßen gerade zu halten. Bei den Hütten angekommen, bezogen wir sogleich Quartier. Anschließend haben wir bei Margret in der Kneipe noch ein paar Bierchen gepitscht und relativ früh begaben wir uns in die Horizontale.
Da der Rest der Truppe noch nicht da war, wollten wir den Mittwoch natürlich nicht untätig rumsitzen. Unser Bedarf an Moppedfahren war auch noch nicht ganz gestillt.
Auf ging es durchs Ötztal zum Timmelsjoch (2.474m). Von Sölden aus machten wir einen Abstecher auf die mautpflichtige Ötztaler Gletscherstraße. Auf über 2.500m Höhe ging´s dann rechts ab Richtung Rettenbachferner.
Hier oben lag noch jede Menge Schnee und schon bald war die Fahrbahn derart vereist, dass wir den Rückzug antreten mussten. Ein „Flachlandtiroler" aus Duisburg meinte natürlich, er könnte trotz der vereisten Straße mit seinem sommerbereiftem Auto dort rauffahren. Um das Auto nicht im Graben oder Abgrund landen zu sehen, mussten wir tatkräftig Hand anlegen. Immer wieder verwunderlich, wie sorglos doch manche Leute mit den widrigen Straßenverhältnissen umgehen.
Wir fuhren ein Stück zurück und wagten dann die Auffahrt zum Tiefenbachferner. Durch den höchstgelegenen Straßentunnel Europas, dem 1,8 km langen Rosi-Mittermeier-Tunnel, näherten wir uns dem mit 2.835m höchsten Punkt der Gletscherstraße. Als Orientierungspunkt in dem unbeleuchtetem, nassem und vereistem Tunnel diente uns der zuerst kleine und dann immer größer werdende Lichtschein des Tunnelausgangs. Recht eng wurde es immer, wenn uns ein Reisebus entgegenkam. Nach dem Passieren des Tunnelausgangs erstreckte sich vor uns ein riesiger Parkplatz mit dutzenden von Reisebussen. Zum lauten Bass aus großen Boxen vollführten einige Skater ihre Kunststückchen. Auch auf den Pisten waren einige Raupen und etliche Skiläufer unterwegs. Hier herrschte voller „Touri-Winterbetrieb". Bei Milchkaffe schauten wir uns das Treiben eine Weile an.
Fortsetzung folgt...
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