Nachdem nun unsere ganzen Bemühungen, in Lienz ein Zimmer zu finden, gescheitert waren, mussten wir halt weiterfahren. Allerdings lief uns so langsam die Zeit davon. Von Lienz aus wollten wir der Pustertaler-Höhenstrasse folgen – und das taten wir nun auch. Auf der B100 ein kurzes Stück an der Gries vorbei bis Leisach-Gries und schon ging es rechts ab auf die Pustertaler-Höhenstraße. So langsam wurde es dunkel und es war keine Ortschaft, geschweige denn eine Übernachtungsmöglichkeit in Sicht. „Wenn ich jetzt nichts finde, verfluchen die anderen mir die Knochen!" schoss es mir durch den Kopf. Nach einigen km, genauer gesagt in Bannberg, klopfte Alex mir plötzlich auf die Schulter und wies auf ein Schild. Gasthaus Gurter stand dort drauf und auch ein Bett war auf dem Schild zu sehen. Also Blinker links gesetzt, einen kleinen Hang hinunter und wenige Meter weiter standen wir vor einer großen Giebelwand mit einer relativ kleinen Türe.
„Wo ist denn hier der Eingang? – Wir gehen mal schauen!" sprachs und schon waren Alex und David im Gebäude verschwunden. Es dauerte nicht lange und Alex kam freudestrahlend herausgehüpft: „Das ist cool, das ist urig, da drinnen rockt die Dorfjugend auf ACDC – hier bleiben wir!" Neben einer großen Diele, in der auch die „Bar" untergebracht war, ging´s in den eigentlichen Wirtsraum. Ein paar Tische, Bänke und Stühle und mittendrin ein holzbefeuerter Herd. Die „Gurter-Oma" kam auf einer Krücke gestützt freundlich lächelnd auf uns zu und hatte sofort unser dringenstes Bedürfnis erkannt: „Moagst a Bier?!". Da wir ja nicht mehr zu fahren brauchten, ließen wir uns das Bier nebst einem leckeren Marillen-Schnaps schmecken. Nachdem wir den ersten Durst gestillt hatten, bezogen wir die ebenfalls urigen Zimmer und kehrten in leichter Bierkleidung in den Wirtsraum zurück. Nach dem abwechslungsreichen und doch recht langen Tag verspürten wir ein leichtes Hungergefühl und wir fragten in Angesicht der fortgeschrittenen Stunde – immerhin ca. 22:30 Uhr – mal vorsichtig bei der Gurter-Oma an, ob wir noch etwas zu essen bekommen könnten. „Eine Brotzeit vielleicht?" „Naa, i moach woas richtiges!!!" kam prompt als Antwort und schon stand ein Topf mit Klößen auf dem Herd. Dann kam ihr Sohn Klaus hereingeschneit und meinte, davon würden wir nicht satt. Flugs zauberte er ein paar Rippchen in die Pfanne. Da Alex sich damals fleischlos ernähren musste, ging Klaus mit einer Taschenlampe ausgestattet in den Garten frischen Salat stechen und schon bald konnten wir ein vorzügliches Abendmahl zu uns nehmen.
So ziemlich zeitgleich wuchs ein Entschluss in jedem der 5 Köpfe, der da hieß: „Hier bleiben wir für 2 Übernachtungen, machen Morgen eine Dolomitenrundfahrt und fahren dann übermorgen von hier aus über den Brenner und Innsbruck nach Haiming!"
Nach dem Essen lockerten wir dann unsere Handgelenke etwas und warfen mit Pfeilen auf eine Scheibe – ich glaube die Profis nennen das „Dart-Spiel". Um da einen kleinen Ansporn zu schaffen meinte Klaus – der Wirt – wir könnten ja um eine Flasche Marillenschnaps spielen. David war sofort Feuer und Flamme dafür und obwohl mir klar war, dass wir nur schwerlich gegen einen Wirt in seiner eigenen Kneipe eine Siegchance hatten, stürzten wir uns ins Gefecht. Trotz unserem vollsten Einsatz stand es schon bald 1:0 für Österreich! Diese Schmach wollte David natürlich nicht auf sich sitzenlassen und einige Zeit später stand es dann 2:0 für Österreich. Mittlerweile waren die Zeiger der Uhr doch schon weit fortgeschritten und auch der Konsum des Biers mit dem unvermeidlichen Marillen-Schnaps forderte seinen Tribut. Klaus hielt anscheinend sehr viel von Integration und Arbeitsteilung was sich dann derart auswirkte, dass wir abwechselnd hinter die Theke gehen mussten um die Getränke-Runden fertig zu machen. Allerdings war dieser Arbeitseinsatz für uns von Vorteil. Da wir den nächsten Tag ja nicht mit einem Kater im Bett verbringen, sondern Mopped fahren wollten, hatten wir so die Gelegenheit Klaus mit dem gewünschten Marillenschnaps zu versorgen und uns hundsgewöhnliches Wasser in die Gläschen zu gießen. Dialoge wie der folgende machten die Runde: „Klaus, der Marillenschnaps ist alle!" – „Dann hol neuen!!!" – „Woher???" – „Na, aus dem Keller natürlich!" ….."Der Keller ist abgeschlossen, Klaus!" – „Na, dann sperr ihn doch auf! Der Schlüssel hängt in der Küche!"
Da wir ja am nächsten Tag zu unserer Dolomiten-Rundfahrt starten wollten, zogen wir schließlich doch zu später oder besser gesagt früher Stunde die Reißleine und begaben uns in die Horizontale.